anfangen ist so wichtig

So individuell wie wir: Familie, Beruf und Vereinbarkeit in unseren Leben

Ihr alle seid Helden der Vereinbarkeit. Ich bin jeden Tag inspiriert von dem, was Ihr an Inhalten gebt und frage mich, wie viel Zeitaufwand da wohl hineinfließt. Und dann schaue ich auf die Uhr und stelle fest: ich muss rennen um rechtzeitig in der Mamarolle zu sein. Vereinbarkeit heißt bei mir auch, pünktlich den Beruf Beruf sein zu lassen und den anderen Teil des Tages beginnen zu lassen. Den, der geprägt ist von „Mama, weißt Du“, „Mama, darf ich“, „Mama, ich hab Hunger“ und so vielem mehr. Es ist mir wichtig, diese Ansprechperson zu sein. Präsent zu sein, gestalten zu helfen und zu unterstützen. Im Alltag dabei zu sein. Ihnen beizubringen, was eine gute Mahlzeit ist, welchen Genuss selbst gekochtes Essen in Gemeinschaft bedeutet. Wie man herausfindet, ob man den Schulstoff schon beherrscht und was man tun kann, wenn nicht. Wann es wirklich jetzt mal für heute genug und Zeit für Freizeit ist.Zu erleben, wie sie groß werden, was sie interessiert. Wissenslücken zu schließen, Ziele zu setzen und dann wieder einfach nur in den Tag hineinzuleben.

Löwenmama in Präsenz

Und was ich auch sehr ernst nehme: Zuhören. Bestärken. Sich dahinter stellen oder auch mal davor und unterstützen. Im Kontext mit Lehrern, Freunden, Erwachsenen. So, dass sie daran wachsen, aber schon auch so, dass sie wissen, sie sind nicht allein. Wenn dann das Kind sagt: „Mama, ich fühle mich gut von Euch unterstützt“, ist das ein schönes Kompliment und sagt mir auch: Da nimmt jemand was fürs Leben mit und lernt über Verbindlichkeit, Miteinander und auch darüber, das nichts unmöglich ist, wenn man sich nur dafür einsetzt. Auch sagte das Kind: „Nein, ich brauche nichts außer einem Erwachsenen, der das für mich durchsetzt. Und das bist Du ja.“ Klar, das sind Sonnenstrahlmomente. Wichtig ist aber doch auch: Der gute Kontakt, in dem wir miteinander stehen.

„und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen“

schrieb Astrid Lindgren in ihr Tagebuch. Recht hat sie und diese Zeit wünsche ich auch meinen Kindern. Nach ihrer Fasson, was bei meinen gern mal heißt: Allein. In Ruhe. In ihren Zimmern hinter behutsam von innen geschlossenen Türen. Wieder heraus treibt sie meistens irgendwann später, wenn sie genug vor sich hin geschaut haben entweder der Hunger oder auch die Lust, einem anderen Menschen der Familie zu begegnen. Dann ist die Laune gut, der Tag „draußen“ verdaut und die Welt wieder in Ordnung. Oft kommen dann auch nochmal Themen auf den Tisch, die ihnen in der Reflexion des Tages erst bewusst geworden oder in Worte geflossen sind. Und die wir dann gemeinsam besprechen, teilen, vielleicht auch manchmal gemeinsam besser bearbeiten können als sie es selbst tun. Mir bedeutet es viel, diese Offenheit zu erleben und die Ansprechperson zu sein, mit der diese Dinge geteilt werden.

Was ich von Euch lerne

Ihr alle, die Ihr mit mir am Thema Vereinbarkeit diskutiert, zeigt so unglaublich viele Aspekte auf. Ich bin dankbar für Beiträge wie die, dass Care-Arbeit geteilt werden muss. Und doch dankbar, dass ich sie nicht teilen muss. Manchmal jammere ich, wenn meine Projekte dafür zu kurz kommen, aber so nah an meinen Kindern zu sein, ist mir ein Fest. Man kann ja seine Lebenszeit nur einmal haben, also verbringe ich sie mit der Familie. Ich weiß genau, wie gut mein Kind schon den Stoff für die kommende Klassenarbeit beherrscht und welche Schuhgröße es gerade hat. Wer seine besten Freunde sind und wer ohne es Geburtstag feiert. Das ist mir viel wert, weit mehr als ein erfolgreiches Projekt im Job. Dass mir das bewusst ist und ich weiß, dass ich mich damit auch gegen etwas entscheide, verdanke ich auch Euch Empowerment-Frauen da draußen.

Was wir alle noch lernen müssen

Mehr Geduld miteinander zu haben. Es ist jedem einzelnen und jeder Familie überlassen, zu entscheiden, welche Rollenverteilung sie gehen und mit welchem Modell sie glücklich werden. Darüber zu urteilen steht niemand anderem zu. Ein Fakt, den wir viel zu selten respektieren. Ich sage oft „es muss nicht für mich passen, sondern diejenigen müssen damit glücklich werden“ und wünsche mir diese Haltung auch von anderen. Ob es dabei um Familienmodelle geht oder in aller Verallgemeinerung einfach um Elternschaft, die anders gestrickt ist als unsere. So lange es für die Beteiligten passt und alle dabei gut zurecht kommen, ist es doch fein.

Was wir nicht sehen

In unserer Elterngeneration gab es vielfach das klassische Rollenverteilungsmodell. Das heißt aber auch, dass eine von den beiden Elternpersonen sich ausschließlich um den Haushalt gekümmert hat. Wenn man es so sehen möchte, sind da auch 40 Stunden pro Woche für anzusetzen, wir haben gerade diverse Diskussionsansätze, diesen Wert sogar höher zu setzen. Diese Zeit können wir ja nicht wegdiskutieren. „Running errands“, Besorgungen machen, ist bei uns nicht unbedingt aktiver Wortschatz, dauert aber ewig. Genau wie aufräumen, Wäsche und all das. Wenn man seine wache Zeit aber in den Dienst einer wirtschaftlich produktiven Aufgabe stellt, kann man nicht gleichzeitig Besorgungen machen. Dienstleister nutzen diesen Raum und versprechen uns beispielsweise gesunde Mahlzeiten ohne Einkaufsaufwand. Trotzdem müssen wir die nächste Kleidergröße, die durchgelaufenen Socken und all das als Familie erledigen.

Was steht also auf meiner Wunschliste für 2022

  • mehr Toleranz für einander und für die verschiedenen Möglichkeiten, im Leben glücklich zu sein
  • Mehr Vertrauen der Arbeitgeber, dass ihre Arbeitnehmer definitiv im Job das Beste geben und die Welt bewegen wollen. Auch mit kleinen Zeitbudgets
  • Mehr Kommunikation. Einfach mal fragen und zuhören kann so bereichernd sein

In diesem Sinne: Auf ein buntes Jahr und lasst mich so gerne wissen, was Ihr Euch vorgenommen habt und wie es für Euch weitergeht