Dr. Birgit Happel ist Expertin für Finanzielle Bildung und Finanzielle Gleichstellung, Frauen und Finanzen und Chancengerechtigkeit. Mit dem Bestseller „Auf Kosten der Mütter“ zeigt sie auf, was für Generationen von Frauen Realität war, aber mittlerweile deutlich anders geht. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen finanzielle Selbstbestimmung erlangen und leben und sich unabhängig aufstellen.


Welche Rolle spielen Geldbiografien in der Partnerschaft?


Wir alle gehen ja täglich ganz selbstverständlich mit Geld um. Dennoch bleibt der Umgang mit Geld meist so lange eine unreflektierte Alltagshandlung, bis wir an einen Punkt kommen, wo etwas hakt. Sei es, die eigene Budgetplanung, Vermeidungstendenzen in Bezug auf die Altersvorsorge oder Differenzen beim Geld in der Partnerschaft. Es ist natürlich wichtig zu verstehen, wie mein Partner, meine Partnerin beim Geld „tickt“, woher die Geldeinstellungen kommen, auch die eigenen und wie mit Unterschieden umgegangen werden kann. Gerade wenn es ein großes ökonomisches Gefälle gibt, kommt es auch zu Machtverschiebungen, damit sollte man sich auf jeden Fall beschäftigen.

Wie viel „zusammen“ ist gut, welche Voraussetzungen helfen für Fairness auch „danach“, wenn es einmal getrennte Wege geben sollte (Scheidungsraten legen diese Gedanken ja durchaus nahe?)


Ich finde finanzielle Selbstbestimmung sollte für beide einen hohen Wert in der Partnerschaft haben, auch für die Augenhöhe und die Qualität in der Beziehung. Dafür eignet sich das Dreikontenmodell, bei dem jede/r sein eigenes Konto hat und ein gemeinsames für die fixen Kosten und Alltagskosten dient. Familienrechtsanwältinnen empfehlen, das Thema unbezahlte Arbeit in einem Partnerschafts- oder Ehevertrag zu regeln. Diese Arbeit kostet ja sehr viel Lebenserwerbseinkommen, meist der Frauen und muss in irgendeiner Form kompensiert werden, etwa durch freiwillige Weiterzahlung der betrieblichen Altersvorsorge während der Familienphase oder den Aufbau einer privaten Altersvorsorge. Auch kann bereits während solcher Phasen von finanziellem Ungleichgewicht in der Ehe ein Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle vereinbart werden. Dann ist es kein Almosen oder Taschengeld, das die Frau erhält, sondern es ist klar, auch diese unbezahlte Arbeit hat einen Wert und wird wertgeschätzt.

Der Punkt, den ich für viele Frauen – auch vor dem Hintergrund all dieser Awareness für das Thema – aktuell sehe, ist insbesondere: Wie bringt man das Thema denn nach der Hormonblindheit im Kreißsaal noch friedlich ein?


Am besten, indem man sich mit all diesen Fragen schon ganz früh auseinandersetzt, auch noch vor der Familienplanung. Selbst wenn keine Kinder da sind, übernehmen Frauen einen höheren Anteil der unbezahlten Arbeit. Bei der Familiengründung schlittern Paare auch mit den besten Absichten doch wieder in ein eher traditionelles Modell. Hier muss man wirklich aufpassen und ganz langfristig denken, alle Zusammenhänge im Blick behalten. Wie Helma Sick immer so schön sagt, lieber jetzt unromantisch, als später arm. Wieviel Arbeit zusätzlich anfällt, wenn Kinder kommen, kann man sich meist gar nicht richtig vorstellen. Eine partnerschaftliche Rollenverteilung ist die beste Scheidungsprophylaxe.

Wie schafft man es auch eben doch „füreinander“ zu sein, so lange man es ist und dann zu einem selbstbewussten ICH zurückzufinden, wenn man eben kein WIR mehr ist?


Ich denke, es ist wichtig, sich immer wieder in die Schuhe des anderen zu begeben. Oft findet ja in unglücklichen Beziehungen ein Wettrüsten statt nach dem Motto, wem geht es am Schlechtesten, wer macht am Meisten etc. Der Perspektivwechsel ist wichtig und auch, die eigenen Rollenbilder zu hinterfragen, sich ggf. auch von den Eltern und Schwiegereltern abzugrenzen, die auch noch mal ihre eigene Sicht auf die Dinge mit einbringen. Und falls es doch zu einer Trennung kommt, braucht das Zeit, um das eigene Leben wieder in gute Bahnen zu bringen. Wir haben alle unsere Träume und Wünsche ans Leben und so einen Bruch steckt man nicht einfach weg, das erfordert innere Arbeit, sich damit auszusöhnen.

Es ist ja nicht grundsätzlich schlecht, sich füreinander zu engagieren und gemeinsame Kasse zu machen und in manchen Haushalten bleibt dann vielleicht auch gar nicht mehr so viel übrig…?


Ja, das ist heute immer öfter der Fall. Seit vielen Jahren steigen die Mieten und die wenigsten Paare mit Kindern können mit einem Gehalt oder einem geringen Zuverdienst zurechtkommen. Auf der anderen Seite steigt dadurch der Druck und der Zeitdruck in Familien enorm. Hier muss man auch sehen, dass die Vereinbarkeit keine individuelle, sondern eine strukturelle Frage ist. Eine 32-Stunden Woche für Familien würde hier Abhilfe schaffen. Oder wir müssen unsere Ansprüche hinterfragen und schauen, welche Werte uns im Leben wirklich wichtig sind, um einen Schritt aus dem Hamsterrad des immer-mehr zu machen.

Das ist ein schönes Schlusswort, liebe Birgit. Danke für Deine guten Vorschläge, einen offenen Umgang mit dem Thema, ein Dreikontenmodell und einen Ausgleich für die Care-Arbeit zu schaffen. Mädels und Familien: Das lohnt sich. Und außerdem seid Ihr Vorbilder. Wenn Ihr es jetzt für Euch ändert, zeigt Ihr auch Euren Töchtern und Söhnen wie es geht.

Foto: Alexandria Singler