Rebekka Balsam ist Coaching für Menschen, die in Sachen Vereinbarkeit erst sich selbst finden und dann gestärkt mit ihrem Umfeld neu durchstarten

Liebe Rebekka Balsam, stell Dich gern kurz vor

Ich biete Coaching für Frauen an, die sowohl im Job als auch in der Familie stark und selbstwirksam sein wollen. Da braucht es Empowerment und auch einige Tools in Sachen Selbstführung und auch Selbsterkenntnis. Wer die lernen möchte, ist bei mir genau richtig. Die Frauen, die meine Workshops und Coachings besucht haben, sind gestärkt dafür, ihre Ziele und Erwartungen gut zu kommunizieren und gemeinsam mit ihrem Umfeld zu schauen, wie sie ihre eigenen Ziele und die von Familie und Partner besser vereinbaren können. Ich gebe Anstöße dafür, dass in kleinen Schritten alle relevanten Aspekte hinterfragt werden und mehr Vereinbarkeit gelingt. Und dafür, dass mehr Frauen in Eigenverantwortung auch ihr Erwerbsleben und den Familienalltag miteinander integrieren. 

Frauen in gut bezahlte Arbeit zu bekommen, schützt ja auch vor Altersarmut. Aktuell scheint das der (ein wichtiger?) wahre Druckpunkt in der Debatte zu sein, der sogar noch vor Selbstwirksamkeit einzuordnen wäre

Ja, das ist ein total wesentlicher Punkt. Um eine gute Struktur für die Altersvorsorge aufzubauen, braucht es ein gutes Gehalt. Dafür wiederum braucht es eine gute Position im Unternehmen. Das kann natürlich auch z.B. Führung in Teilzeit sein, Tandem-Positionen oder was eben individuell passt. Hier sind alle Beteiligten gefragt, Modelle neu zu denken. Einerseits helfen dabei Betreuungsangebote von Institutionen, andererseits ist natürlich auch immer die Frage: Wie kann man das Familiensystem so aufstellen, dass alle Personen optimal ihre Wege gehen können. 

Dass die Frauen arbeiten und die Männer sich hauptsächlich kümmern, ist ja auch nicht die Antwort

Nein, das ist sie nicht. Denn das bedeutet in vielen Fällen ja nur eine Umkehr der Problematik, aber keine Lösung. Wenn dann die Frau gut aufgestellt ist, aber der Mann seine Selbstwirksamkeit nicht erreicht oder im Alter verarmt, ist es auch nicht richtig. Zudem ist dieser Weg häufig dort zu finden, wo Frauen eine leuchtende Karriere machen. Und da sind meistens auch weitere Unterstützungspersonen bzw. Ressourcen für weitere Unterstützung im System vorhanden. Auch das ist nicht überall Realität. 

Die Alternative, dass der entgangene Verdienst voll zwischen dem Paar ausgeglichen wird, wäre eine Lösung. Wie sollen das aber Familien machen, die mit einem und einem halben Gehalt gerade irgendwie über die Runden kommen. 

Stimmt, das alte Thema mit dem Durchschnittseinkommen und den gestiegenen Kosten und Ansprüchen

Ja, genau. Die Ansprüche sind gewachsen und teilweise auch nicht wieder kleinzureden. Zum Beispiel elektronische Devicesoder auch Wohnraum. Hier ist über die Jahre einfach der Bedarf gestiegen, der jetzt finanziert werden möchte. Und natürlich kommt das auch alles mit Nebenkosten wie Strom, Gas, Datentarife und dergleichen. Auch nach einer Trennung mit Erhalt der gemeinsamen Elternschaft beispielsweise besteht ja quasi eine doppelte Haushaltsführung, weil beide Eltern den Kindern Räume bieten wollen, in denen Familienleben stattfinden kann

Empowerte Frauen: Was macht das mit den Umfeldern, in denen diese Frauen sich dann zurückbegeben? Wenn die Frau – oder verallgemeinern wir mal – ein Teil des Systems sich nicht mehr einfügt, kommen die anderen Teile doch zwangsläufig in Bewegung 

Ja, das ist genau das, was das systemische Modell beschreibt: alle Personen in einem System – sei es die Herkunftsfamilie, die eigene Familie, der Freundes- oder Kolleg*innenkreis – hängen miteinander zusammen. Und wenn eine*r sich bewegt, kommen auch alle anderen in Bewegung, wie in einem Mobile.

Für das Umfeld ist das oft nicht so leicht, weil wir als Menschen Veränderung oft eher scheuen. Und damit ist das auch schwierig für die Frauen, die mit neuer Klarheit  und größerem Selbstbewusstsein in ihre Systeme zurückkehren. Sie bewegen andere zur Veränderung und müssen auch Gegenwind aushalten können.

Dafür stärke ich den Frauen den Rücken, für sich, ihre Sache, ihre Bedürfnisse einzustehen. Eine Klientin drückte das kürzlich so aus: „Den Mut, so für mich einzustehen und nicht einzuknicken, den habe ich aus unserem Coaching.“

Diese Frauen lassen sich nicht mehr so leicht unterbuttern, sondern gestalten mit und stehen stark für sich und ihre Bedürfnisse ein. Und daraus entstehen ganz neue Möglichkeiten – für alle Beteiligten.

Das klingt als wäre Führung nochmal komplexer geworden, seit Vereinbarkeit zu den Forderungen gehört? Oder ist es eher eine Art New-Work-Begleiterscheinung? 

Wahrscheinlich ist es im Endeffekt beides ein Stück weit. Der Punkt, warum es oft im Kontext mit Vereinbarkeit gesehen wird, ist: In dem Moment, in dem die Menschen sich fragen, wie sie eigentlich arbeiten möchten, wird es spannend. Für viele Frauen und Familien ist das die Situation des Wiedereinstiegs nach einer Familienphase. Darum tritt beides häufig im Kontext auf. Dann hinterfragt man die Strukturen, überlegt, wie man es neu aufstellen könnte. Oft passiert es dann, dass man Aufgaben nochmal durch andere Augen sieht und überlegt, warum man sich nicht mit gleichem oder besseren Output auch entsprechend anders organisieren kann. Die Unternehmen, die mutig genug sind, sich auf so etwas einzulassen, gewinnen extrem loyale und produktive Mitarbeiter. (Finde ich gut!)

Und wenn das dann die anderen auch wollen? Wäre das nicht eigentlich sogar ein Riesengewinn? 

Das weiß ich nicht, ob das die perfekte Lösung wäre. Menschen sind unterschiedlich und das ist ok so. Und wahrscheinlich braucht es – so wie meistens – beides. Weil Heterogenität auch guttut und befruchtet und weil es eben auch Aufgaben gibt, die am besten von Menschen erldigt werden, die ruhig und weisungsgebunden arbeiten wollen und die für den anderen Schlag von Menschen zu wenig aufregend wären. In einer Situation im Unternehmen, in der aber jeder auch auf den anderen schaut, Menschen sich vergleichen und sowohl im Vergleich als auch zb in Fehlersituationen Konflikte entstehen, kann viel Freiheit auch dazu führen, dass Unzufriedenheiten groß werden. Es ist dann einfach, das „wie“ jemand arbeitet als Grund zu sehen und nicht so sehr das, was erreicht oder eben nicht erreicht wird. Auch ist zb Home Office ein Punkt, der Distanz entstehen lässt. So wird es leichter, andere negativ zu sehen als wenn man in Präsenz die Bindung zueinander gut pflegt. 

Wie würdest es nun zusammenfassen? Wir haben so viel über das Empowerment einzelner gesprochen, dass sich die Frage aufdrängt: Ist Vereinbarkeit ein Thema, das man Bottom Up lösen muss? 

Bestimmte Dinge können nur Top Down gehen. Zum Beispiel braucht es für Kinderbetreuung während Eltern arbeiten oder auch für eine vereinbarkeitsfreundliche Veränderung im Schulsystem Strukturen, die nicht von einzelnen gemacht werden können. Die dort entstehenden Freiräume muss aber jede arbeitende Person für sich optimal ausschöpfen. In den jeweiligen Unternehmen oder auch in den jeweiligen Kundenbeziehungen muss Raum und Akzeptanz geschaffen werden für die Bedürfnisse der Familien.

Das heißt aber nicht, dass weniger Leistung erbracht wird, um es nochmal ganz deutlich zu machen, sondern dass der Rahmen verändert werden muss, richtig? 

Genau! Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Menschen, die Beruf und Familie vereinbaren, wollen arbeiten. Sie wollen ihren Teil zu den Projekten und Themen beitragen. Sie wollen wirksam und sichtbar sein. Sie wollen sich auch kapitalisieren, als Resultat daraus, dass sie wertvolle Leistung erbringen.

Sind dann die Führungskräfte die, die die nächste Herausforderung zu stemmen haben? Empowerte Menschen zu führen scheint ja auch von Wandel in Führung begleitet zu sein

Ja, das denke ich unbedingt! In diesem Fall ist es sowohl Aufgabe als auch Belohnung. Denn Personen, die nach der Familienphase festgelegt haben, dass und wie sie nun alles im Job geben wollen, sind auch einfach extrem motivierte Mitarbeiter, wenn man sie passend einsetzt und mit entsprechenden Graden von Selbständigkeit und Flexibilität ausstattet, um ihre Ziele erreichen zu können. So entsteht auch nochmal eine neue Art von Augenhöhe, die in Teams Potentiale freisetzen kann. 

Wird dann die nächste Herausforderung, die Führungskräfte passend zu coachen? 

Zumindest wird ein System, das an einer Stelle in Bewegung gebracht wird, sich immer insgesamt bewegen und zu einem neuen Gleichgewicht finden müssen. Und Führungskräfte-Coachings z.B. zum „Familiensensiblen Führen“ scheinen mir extrem wertvoll. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Die äußeren Faktoren wie Fachkräftemangel, New Work etc sind ja eben auch in die Situationen zu integrieren. Da bleibt zu wünschen, dass auch die Teams gut begleitet sind und entsprechende Tools und Räume für Reflexion und Austausch bekommen. 

Rebekka, was ist Dein Fazit für uns? Was sind die wichtigsten vier Punkte für heute? 

Wir haben heute über vier ganz wichtige Punkte in Bezug auf Vereinbarkeit und das Ausbalancieren von Work und Life gesprochen:

  • Es gibt den großen Druckpunkt Altersarmut von Frauen:. Da sollte keine Frau sehend hineinlaufen. 
  • Vereinbarkeit ist sowohl Top Down ein Thema, weil bestimmte Dinge einfach von oben bzw. sogar ganz oben unterstützt und / oder aufgebaut werden müssen. Es ist aber auch ein Bottom Up Thema, da in jeder Familie andere Notwendigkeiten und Spielräume bestehen, die zu divergierenden Voraussetzungen und Anforderungen an einen Arbeitsalltag führen. 
  • Empowerte Frauen können die Personen werden, die die Steine der Veränderung ins Rollen bringen. Sowohl im Privaten, als Unternehmerin oder im Unternehmen.
  • Führung ist ein wichtiger Schlüssel. Entweder sichert man sich durch eine aufmerksame unterstützende Führung die Loyalität. Oder man antwortet mit Unbeweglichkeit auf diesen ins Rollen gekommenen Stein. Dann wird er woandershin rollen.

Danke, liebe Rebekka, für diese Einblicke in Sachen Vereinbarkeit