Wo sind denn jetzt „im Großen“ unsere Themen? Was ist mit der Vereinbarkeit auf der lauten Bühne der öffentlich gehörten Stimmen? Mittlerweile gibt es einige spannende Buchtitel zum Thema. „Rabenvater Staat“ von der Berliner CDU-Politikerin (Bezirksverordnetenversammlung Berlin Mitte) Jenna Behrends veranschaulicht, wie viel Nachholbedarf die Familienpolitik in Deutschland hat, um wirklich Familien zu unterstützen. Die Autorin ist Journalistin und Politikerin in der CDU. Das Buch ist im Januar 2019 erschienen. Jenna Behrends tritt dafür ein, massiv zu vereinfachen und aus dem Rabenvater eine Institution zu machen, die simpel funktioniert und hilfreich ist.
„Familien sind die wichtigsten Leistungsträger unseres Landes“
stellt Jenna Behrends gleich eingangs fest (S.10) und zeigt dann auf, dass genau das sich in der aktuellen Familienpolitik nicht so recht wieder findet. Dabei geht sie sehr gut informiert vor und nennt Beispiele aus verschiedenen Ebenen der Politik. Entsprechend ist ihre Kritik an der derzeitigen Familienpolitik fundiert über alle Ebenen der Steuerungsinstrumente aufgesetzt und sehr informiert vorgetragen. Ein Hauptargument ist beispielsweise, dass die Familienförderung gar nicht unbedingt bei Familien ankommt, weil in die so bezeichnete Summe Bausteine eingerechnet werden, die gar nicht direkt zur Unterstützung von Familien dienen. Zudem sei das Denkmuster von Politik immer noch die „Normalfamilie“ aus der Welt unserer (verheirateten) Eltern, Vater-Mutter-Kind(er) mit Ernährer und Versorger, die sowohl vom Ehegattensplitting profitierten wie auch genug Ressourcen für Care-Arbeit zur Verfügung hatten.
„Warenkorb, der alles Notwendige enthält“
Was brauchen Kinder wirklich, um in der Gesellschaft alle Chancen zu haben? Jenna Behrends lädt ein, dazu einen Warenkorb zu definieren, der auch Bereiche wie Wohnen, Kultur, Vereinsleben und Nachhilfe in schulischen Fächern umfasst. Ihre Botschaft: Familien werden nicht mit ihren tatsächlichen Bedürfnissen und „Geldfressern“ gesehen, sondern in Pauschalisierenden gepresst, die mitunter am Ziel vorbei gehen.
Förderung, die simpel ist und ankommt
Was ist nun das wirkliche Take Away aus dem Buch? Viele Details machen mich staunen und den Kopf schütteln. Wirklich spannend finde ich jedoch die Idee, finanzielle Familienförderung so aufzustellen, dass man nur eine Anlaufstelle hat. Etwa als wenn man auf Basis des Steuerbescheids automatisch die Förderung mit ausgeschüttet bekäme. Ohne an jeder einzelnen Station und für jede Leistung wieder die gleichen Zahlen in noch ein Formular zu übertragen und es einem Sachbearbeiter zu zeigen, der letztlich doch Maßstäbe aus einer Schablone anlegt. Könnte man das nicht sogar digitalisieren? Wäre es dann vielleicht für alle einfacher? Die Familien entlasten, aber auch die Sachbearbeiter in den verschiedenen Instanzen vom Kinderzuschuss bis zum Schulmittagessen?
Und wir alle jetzt? Familienpolitik? Vereinbarkeit?
Jenna Behrends fordert ein Neudenken der Familienpolitik. Das zeigt auch, dass es nicht nur im Kleinen darum geht, Vereinbarkeit in jeder Familie individuell zu lösen. Sondern auch, dass wir insgesamt als Gesellschaft Antworten finden müssen. Ich bin gespannt und neugierig darauf und wünsche mir Mut, Kreativität und Innovationskraft bei allen, die sich aufmachen, dies zu gestalten. Und wisst Ihr, was ich dabei auch denke: Wenn es leichter wird, wird es doch für alle leichter. Und weniger Bürokratie ist mehr Zeit fürs Wesentliche. Vielleicht sollte man mal ein Design Thinking-Projekt daraus machen?
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