Vereinbarkeit – Empowerment für Chancengleichheit

Romy Baur ist Coach für weibliche Führungskräfte. Ihr Ziel ist, dass Chancengleichheit gesehen und ermöglicht wird. Sie sieht, dass Führung sich verändern muss. Empowerment ist ebenso wichtig wie auch die Diversität der Meinungen und Menschen, die sich gemeinsam auf ein Ziel fokussieren: Im Job das Beste zu geben. Wir haben gemeinsam über Vereinbarkeit gesprochen.

Romy, die Ausgangsfrage für unser Gespräch war, ob die GenZ quasi die Fortführung der Debatte ist, die viele Menschen heute individuell in ihren Job-Situationen fordern. Ob da quasi eine Welle der Forderungen heranrollt, die wir aktuell auch schon gerne stellen würden, wo sich aber jede und jeder noch einzeln, unverschämt, verloren und allein fühlt.

Dieses Gefühl ist eine gute Beschreibung. Aktuell ist es noch so, dass weibliche Führungskräfte noch in der Unterzahl sind und mit ihren Ansprüchen, ein Leben neben dem Job zu haben, noch zu wenig oft vorkommen um selbstverständlich zu sein. Der große Unterschied ist, dass Menschen heute zu ihren Familien stehen und von Jobs und Arbeitgebern immer häufiger verlangt wird, dafür Raum zu lassen.

Das ist ein großer Punkt: die Anspruchshaltung hat sich verändert. Menschen sind nicht mehr nur Job-Personen, wenn sie arbeiten. Sie sind immer mehr auch gleichzeitig Mamas, Papas oder auch pflegende Angehörige der jeweils zu unterstützenden Person. Und sie wollen auch nicht nur arbeiten. Wie nimmst Du das wahr?

Genau, das sehe ich auch sehr stark in meinen Beratungen. Die Menschen kommen auf mich zu um zu klären, wie beides gleichzeitig sein kann. Sie wollen im Job alles geben, sie wollen aber eben auch da sein, wenn sie von ihren Menschen im Privatleben gebraucht werden. Das ist ein Spagat, den wir aber immer besser lösen können, nicht nur dank moderner Technik.

Dafür ist in den meisten Jobs aber auch Raum zu machen, insbesondere wenn wir leistungsbezogen denken und nicht im Arbeitszeit-Schema. In der Ergebnisorientierung ist es nicht wichtig, zu welcher Arbeitszeit jemand etwas getan hat, sondern dass es fertig ist, wenn es benötigt wird. Auch wo Arbeit erledigt wird, ist manchmal irrelevant.

Stimmt. Es ist aber schwerer sichtbar zu machen. Das ist auch oft Thema in den Beratungen. Die Unternehmensführung, insbesondere älterer Generation, möchte die Menschen vor Ort beschäftigt sehen. Das gibt ihnen die Sicherheit, dass diese auch arbeiten. Diese Verknüpfung ist jedoch nicht korrekt. Es gab schon immer die, die anwesend sind, aber wenig Output hatten. Und es gab schon immer die, die am besten gearbeitet haben, wenn sie selbst möglichst frei die Bedingungen wählen konnten. Mittlerweile haben wir andere Möglichkeiten, Ergebnisse zu messen und wir sollten hier mehr Mut haben.

Ist das die Debatte über Teilzeit? Teilzeit heißt ja nicht Teilgehirn

Das wird aber leider oft noch so gesehen. Dabei zeigen diverse Studien und so langsam auch ausreichend Praxisbeispiele, dass Teilzeit nicht teilproduktiv oder teilschlau heißt. Sondern meistens sind die Menschen, die nicht Vollzeit arbeiten, extrem gut strukturiert und fokussiert, weil sie ja nicht den ganzen Tag Zeit haben, wie Du so oft sagst.

Du bist auch eine große Fürsprecherin für Führen in Teilzeit und legst großen Wert darauf, Frauen zu empowern, solche Stellen anzutreten und sich den Zeitrahmen einzufordern, den sie benötigen. Ist es ein gesellschaftlicher Glaubenssatz, dass Frauen unterschätzt werden?

Ja, sehr. Ich beobachte das sowohl durch Frauen über sich selbst als auch durch Männer über Frauen. Hier liegt noch wirkliches Potential brach. Viele Frauen sehen sich selbst nicht im Licht ihres vollen Potentials und trauen sich selbst weniger zu als ihre Mentoren und Sponsoren es tun. So kann es passieren, dass Selbstzweifel verhindern, dass eine neue Herausforderung angenommen wird.

Männer hingegen trauen sich eher zu, in Rollen hineinzuwachsen. Sie sehen sich in vorteilhaftem Licht. Sie springen erst in die Herausforderung und lernen und wachsen dann. Man kann beides gut oder schlecht finden. Vor dem Hintergrund von Karriereschritten ist Mut sicherlich der bessere Ratgeber.

Wo siehst Du die größten Mehrwerte von Frauen in Führungsrollen?

Oft nimmt man in solchen Teams ein Umdenken wahr: Es wird empathischer bei gleichem Leistungsanspruch. Es kommen plötzlich Themen auf den Tisch wie Care und Selfcare, die weiche Faktoren sind, sich aber massiv auswirken. Die Leistungskultur wird oft bewusster definiert und umfasst sehr wohl volle Konzentration auf die Ziele, aber eben auch Themen wie das Einhalten von Pausen und die Struktur eines Tages, einen planbaren Feierabend, Meetings zu denen alle Zeit haben und dergleichen mehr. Das nützt letztlich allen und zahlt auch auf die Gesundheit ein, weil es Stressfaktoren herausnimmt.

Mut und Vertrauen, darauf läuft es hinaus, oder?

Ja, immer wieder kommt die Debatte dort an. Wir sehen es auch an den aktuell diskutierten Themen. Es braucht Mut, Dinge neu zu tun. Und es braucht Vertrauen, dass diese neuen Wege funktionieren und „tragen“. Letztlich ist es auch eine große Verantwortung, in einem Unternehmen etablierte Prozesse zu erneuern, denn es hängen Existenzen davon ab. Es ist aber auch notwendig, damit Innovation geschehen kann. Man muss eben mit der Zeit gehen, sonst wird es schnell doof.

Sichtbarkeit könnte helfen, oder?

Ja. Aktuell sind wir an der Stelle, dass es einige wenige sehr stark sichtbare Personen gibt, die „New Work“ leben, die Tandemführung, Teilzeitführung, und andere schöne Beispiele zeigen. Lasst uns viele werden. Lasst uns die Familien mit einbeziehen und lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir die Jobs rocken, bis wieder Familienzeit ist und wir uns dort gern einbringen. Dann wird es rund für alle.

Liebe Romy, ich danke Dir für den Austausch!