Jana Berger ist in so vielen Facetten für Vereinbarkeit aktiv, dass es gar nicht so einfach ist, es in einen Satz zu fassen: Sie ist (ebenfalls) Vereinbarkeitsbloggerin, Mama von 2 Kindern und Unternehmerin. Mit starkem Fokus wiederum auf Vereinbarkeit und Family Empowerment ist sie Gründerin und Geschäftsführerin der NeoWork GmbH und wirkt dort als Expertin für Online- und Personalmarketing, Employer Branding und Social Recruiting. Ihre Inhalte werden jährlich über 100.000 mal aufgerufen. Über ihre Recruiting-Plattformen Familienfreundliche-Arbeitgeber.de und Momjobs.de bringt sie Arbeitnehmer:innen und Unternehmen zusammen, immer mit dem Fokus auf spannende Jobs, die sich mit einem Familienalltag vereinbaren müssen.

Jana, gibst Du uns kurz ein bisschen Hintergrund zu Dir?

Gerne. Ich bin selbst ein gutes Beispiel für meine Zielgruppe und meine Motivation: Ich habe zunächst im Verlag Medienkauffrau gelernt. Dann habe ich ein Ingenieursstudium begonnen und im Ingenieurbüro gearbeitet. In meiner ersten Schwangerschaft wurde ich arbeitslos und habe dann in der Elternzeit gegründet. Eigentlich aus der Panik heraus zu verstehen, dass meine alter Job und die dortige „Welt“ nicht das sein wird, wohin ich zurück möchte.

Was sind die Punkte, die Dich besonders getriggert haben?

Frauenförderung: Auch Mütter in dem Job fördern nicht unbedingt Familien und familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Vielmehr haben die, die bereits erfolgreich sind, sich selbst so aufgestellt, dass sie die Branchengepflogenheiten abbilden können. Hier darf Bewegung rein.

Vorbilder: Sie fehlen noch an so vielen Stellen! Gleichzeitig im Job überragend zu sein und die Theateraufführung der Kinder mitzuerleben geht. Man muss es nur machen. Wenn es aber niemand tut, wird es einfach schwierig, die eine Person zu sein, die dafür Platz im Kalender macht. Das ist so ein äußeres Zeichen von „den Job ernst nehmen“, immer verfügbar zu sein. Bzw umgekehrt, ihn nicht ernst zu nehmen. Was ja nichts über die Leistung aussagt, aber oft noch so gewertet wird. Je mehr Menschen in ihrer Arbeitszeit Exzellenz zeigen und dennoch für das, was sie vereinbaren, Zeit bzw Rücksicht auf Zeitblocks einfordern, wird es sich ändern. It‘s a journey.

Wirtschaftslage: Natürlich muss man es sich auch leisten können, Zeit für die Vereinbarkeitsthemen einzuräumen. Karriere ist auch ein Wirtschaftsfaktor geworden, erst recht in Städten und je mehr Menschen von dem jeweiligen Gehalt leben möchten. Hier sind Lösungen gefragt. Es wird nicht gehen, dass alle Menschen in Städten im C-Level arbeiten oder auf dem Niveau bezahlt werden. Ohne Geld sind allerdings die Herausforderungen groß, ein Familienleben überhaupt zu finanzieren.

Wie erlebst Du denn Unternehmen in diesem Kontext?

Wir sprechen täglich auch mit Arbeitgebern, die erleben, dass ihre Mitarbeitenden nach besseren Lösungen für die Vereinbarkeit von beruflichem und privatem Leben fragen. Dabei ist deutlich festzustellen: die Mitarbeiter wollen ihre maximale Leistungsfähigkeit einbringen. Sie wollen für ihre Projekte alles geben. Nur wollen sie dann auch nehmen können, wenn die Familie es erfordert. Starre Zeiten, Präsenzpflicht und das glattgebügelte alte Leben im Anzug, dass jegliche private Seite negiert, hat vollständig ausgedient. Es ist mittlerweile ja common sense, dass diese Aspekte nicht die Leistungsfähigkeit und Kompetenz einer Person ausmachen.

Und das sind ja nur die äußeren Faktoren

Genau. Man sieht es einem großartigen Konzept überhaupt nicht an, ob es am Rande des Spielplatzes entstanden ist oder in einem Büro-Setting. Aber man merkt es dem Mitarbeiter an, ob er mit Herzblut bei der Sache ist und sich ganzheitlich einbringen kann oder ob er unter dem Druck steht, Teile seines Lebens im Büro außen vor lassen zu müssen. Unsere Arbeitgeber, die Teil unserer Plattformen sind, haben das verstanden und arbeiten bewusst mit einer solchen Sicht auf die Menschen.

Verändert das auch Führung und Zusammenarbeit?

Remote Work wäre hier das Stichwort. Wir schieben es auf Corona, dass wir hier so viel Schwung bekommen haben. Tatsächlich benötigen Teams, die nicht gleichzeitig am gleichen Ort sitzen, eine andere Austauschkultur und auch einen anderen Fokus auf das Miteinander. Da sieht man derzeit viele Menschen neue Wege gehen. Einerseits geht es darum, Ziele neu zu denken und anders nachzuverfolgen, Spielregeln anzupassen. Andererseits geht es auch darum, Leadership anders zu denken. Das Unternehmensziel muss auf der Agenda stehen, aber eben auch ergänzt um die Pflege des Teams. Siehst Du, hier gibt es noch nichtmal wirklich gute Begriffe. Den Weg gehen wir gerade alle gemeinsam. Manchen ist es natürlich gegeben, andere brauchen etwas mehr Input. Dennoch wird das eher die Zukunft als eine komplette Rückkehr zu Vor-Corona-Bedingungen und Präsenzkultur.

Zahlen sprechen für Vereinbarkeit

Die Unternehmen, die Vereinbarkeit ermöglichen, profitieren davon. In der Produktivität gewinnen sie dadurch, dass die Mitarbeiter motivierter sind und ihre Aufgaben meistens besser erledigen als in einem aufgezwungenen Rahmen. Das macht sich wirtschaftlich natürlich bemerkbar. Und natürlich kann man auch im Bereich HR feststellen und nachweisen, dass flexiblere Bedingungen unglaublich dazu beitragen, Mitarbeiter zu binden und so die Opportunitätskosten von Fluktuation gering zu halten. Die sind oft schlecht nachweisbar und somit wäre man vielleicht versucht, sie wegzudiskutieren. Aber wer schon mal erfolglos versucht hat zu rekrutieren, weiß wie ärgerlich es ist, Stellen nicht besetzen zu können und demnach auch Aufträge nicht entsprechend dem Potential annehmen zu können.

Role Models: wir wollen Euch mehr sehen

Wir sind alle Role Models. Die Frage ist, was wir zeigen. Mit unseren Plattformen www.momjobs.de und www.familienfreundliche-arbeitgeber.de schaffen wir Raum für Menschen, die Familie und Beruf ganzheitlich denken. Konkrete Tools hierfür sind zum Beispiel Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Offenheit für Kinder im Büro, Offenheit für familiäre Bedürfnisse, die durchaus unterschiedlich sein können und für Modelle, in denen Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit entlang dieser Bedürfnisse entfalten können. Das Fazit ist dann oft das folgende:

Persönlichkeiten gehen ihren eigenen Weg

Idealerweise schauen wir als Gesellschaft, wie wir davon mehr lernen können. Offener sein können für Modelle, die Dinge neu sehen und ermöglichen. Es ist leider immer noch sehr weit verbreitet, zu bewerten statt offen zu lernen. Dafür ist gerade nicht die Zeit. Wir können mehr bewegen, wenn wir neue Wege ausprobieren und miteinander schauen, wie wir mit den Rahmenfaktoren unserer Zeit das Beste aus den Gegebenheiten machen. Das gilt für viele Themen und somit auch für die Vereinbarkeit.

Danke für diesen Einblick, liebe Jana! Das gibt uns Mut und Aufbruchstimmung mit, die Dinge weiter neu zu denken und den Weg so zu ebnen, wie wir ihn brauchen. Für Vereinbarkeit, für die neue Arbeitswelt und für viel viel Wirksamkeit