Von der Freiheit, Frau zu sein
Ihr Lieben, eine Veränderung, wie wir sie in Sachen Vereinbarkeit erleben, wird ja oft auch in der Literatur debattiert. Heute habe ich mir für Euch Mirna Funk „Who Cares“ angesehen. Einige Punkte daraus sind hilfreich, andere vielleicht ein bisschen extrem, wieder andere eigentlich offensichtlich und gut, dass sie ausgesprochen sind. Hier für Euch in Kurzform:
In 6 Kapiteln beschreibt Mirna Funk zu unterschiedlichen Lebensbereichen wie Karriere, Liebe und Geld, wie sie die Eigenständigkeit der Frau sieht. Sehr bereichernd, allerdings auch recht theoretisch sind die kurzen Ausflüge in die Fachliteratur, die die großen Denker aufwirft. Ich fand sie spannend und habe laufend meine Leseliste vervollständigt, hoffentlich seht Ihr das genau so.
Der eigentliche Aufruf ist, dass Frauen alles in Sachen Freiheit und eigenständige Lebensgestaltung schon zur Verfügung haben. Und dass sie sich nicht aufhalten lassen sollen, diese Freiheit zu nutzen. Mirna Funk vertritt die These, dass es nicht darum ginge, Care-Arbeit zu benennen und dafür gelobt zu werden, sondern darum, dass volle Wasch- und Spülmaschinen genau so Aufgabe im Erwachsenenleben sind wie ein vernünftiger Umgang mit Geld, anderen Erwachsenen, Kindern, dem eigenen Körper und vielen Herausforderungen mehr.
Rückfragen
Für den Vergleich zur Situation vieler Frauen lässt Mirna Funk jedoch Fragen offen. Aus ihrer Perspektive einer Frau, die mit ihrer Tochter lebt, ist ihre Klarheit wohltuend nachvollziehbar und beeindruckend konsequent. Es sind allerdings sehr wenige andere Menschen zu entdecken, mit denen man sich im Alltag auf was auch immer einigen muss. Ich habe spontan Menschen im Kopf, die im Kontrapunkt dazu in ihrem Leben sehr vielen Menschen gerecht werden (wollen? müssen? es einfach tun?) und deren Leben täglich bereichern und erleichtern.
Spannend finde ich auch, dass Männer überhaupt keine relevante Rolle spielen. Meine Perspektive ist ja logischerweise auch weiblich. Ich mag die starke Energie, die Frauen aufruft, ihre Dinge in die Hand zu nehmen. Darin verstärkt „Who Cares“ auch, was gerade in der Welt passiert, dass Frauen ihre Stimme entwickeln. Unter diesem Aspekt finde ich auch die Rigorosität gut, mit der Mirna Funk diesen Aufruf positioniert.
Andererseits lässt sie diverse Aspekte unberücksichtigt, die in vielen Familien bestimmt Rollen spielen. Das Miteinander mit anderen Menschen, einem Partner auf Augenhöhe zum Beispiel, mit dem man die Eckdaten gemeinsamen Lebens gestalten muss, wird nicht weiter berücksichtigt. Das macht den wunderbaren Band leider auch angreifbar.
Fazit: Empfehlung zum Neu denken
In seiner Deutlichkeit ist das Buch dennoch Anstoß. Es wirkt durch diese nicht vorhandene Angebundenheit der Autorin noch deutlicher, wie Menschen sich von Gegebenheiten bestimmen lassen. Wie befreit man sein könnte, würde man auf sich selbst hören und sich unabhängig machen. Dadurch ist „Who cares“ auch eine Einladung dazu, mal alle Eckpunkte vom Tisch zu fegen und neu zu denken. Wer bin ich, wenn die anderen mich nicht definieren? Was habe ich, wenn ich auf mich selbst, meine Fähigkeiten und meinen Kontostand schaue? Wie kann ich aus diesen Bausteinen ein Leben gestalten? Wie kann ich meinen Kindern ein Vorbild sein?
Who Cares?
Wen kümmert es denn nun? Und was denn eigentlich? Die Anspielung auf die vieldiskutierte Care-Arbeit ist ja offensichtlich. Andererseits ist die Stimme, mit der Mirna Funk spricht, von großem Selbstbewusstsein geprägt. Im Sinne von „das Leben ist so, wie ich es gestaltet habe und damit gehe ich um“. Das Anpackende, es gibt kein Gejammer, dafür jede Menge Energie, das ist es, was gut tut.
Was nehme ich daraus mit?
Zuallererst eine maximal verlängerte Leseliste. Wie Ihr wisst, interessieren mich immer auch die Hintergründe und Grundlagen und an der Stelle hat Mirna Funk einige Anstöße gegeben.
In Sachen Freigeist und Mut finde ich die Sicht, die Mirna Funk in „Who Cares“ darlegt, großartig. Den eigenen Weg zu gehen, sollte immer die erste Wahl sein. In Sachen Partnerschaft habe ich eine andere Erfahrung, die mir eine andere Meinung beschert. Ich bin gerne mit meinem Partner und darum ist wohl auch immer wieder Absprache notwendig, im Kleinen wie im Großen, weil wir eben entschieden haben, gemeinsam zu segeln. Wenn es nur einen Erwachsenen gibt, ist der Freiheitsgrad bei Entscheidungen natürlich größer, was Vor- oder Nachteil sein kann, je nach Persönlichkeit.
Wo ist der Schnittpunkt zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Handlungsbedarf für die Gesellschaft?
Die spannende Frage, die jedoch auch offen bleibt, ist in meinen Augen diese: Wenn es doch für alle Veränderungen gibt, die jeder mit seiner persönlichen Freiheit beantwortet, ist es dann nicht doch ein Thema, auf das eine Gesellschaft insgesamt neugierig reagieren sollte und woraus Konsequenzen entstehen sollten? So wie das System der Steuerklassen, das Alleinerziehende zusätzlich belastet und Ehen entlastet, sicherlich nicht mehr zu den heutigen vielfältigen Familiensituationen passt. Es ist die Freiheit der Einzelnen, sich so zusammen zu tun, wie sie sich wohlfühlen. Und die führt dann dazu, dass im Steuersystem Kriterien nicht stimmig sind. Hin und wieder macht es also durchaus Sinn, sich bei aller Freiheit einmal der Menschen um sich herum bewusst zu werden und wahrzunehmen, wo die Mehrheit gerade steht.
Fazit: Freedom’s just another word for grenzenlose Gestaltungsfreiheit
Was bei Janis Joplin noch traurig klingt, ist bei Mirna Funk die nicht diskutable Erinnerung daran, dass jede selbst ihr Erwachsenenleben zu gestalten hat. Und es ist die Aufforderung, sich eben genau das Leben zu bauen, das für jede selbst das richtige ist. Diese Eigenständigkeit und der Blick auf die eigenen Wünsche ist ein Kontrapunkt zu dem, was vielfach im Bild der sich aufopfernden Frau und Mutter zu sehen ist, die viel tut um den Wünschen und Erwartungen anderer zu entsprechen. Ich bin gespannt auf den Nachhall in den Köpfen, der sichtbar werden wird.
Comments