Zeit, miteinander aus dem Fenster zu sehen ist nicht oft

Lockdown mit Home-Office, Schulaufgaben, Haushalt und Launen

Die Welt hält den Atem an. Und die Wirtschaft. Und das öffentliche Leben. Wir sind seit fast 2 Wochen (hoffentlich alle) im Lockdown zuhause. Im Miteinander merkt man deutlich, dass man sonst mehr Pause voneinander hat, sich aufeinander freuen kann, Input von auswärts einbringt, auf den wir nun fast verzichten und stattdessen umeinander kreisen. Alltag miteinander teilen ist schön, man hat Zeit sich zuzuhören. Und doch ist die Zeit, die man sich nun füreinander nimmt, anderen Themen gestohlen. Home-Office trifft Home-Schooling, Haushalt und Haus- (oder Wohnungs-)Themen treffen Bewegungsdrang und Wünsche nach Freiheiten und Freunden, die gerade einfach keine Saison haben. Bedürfnisse von verschiedenen Personen auf engstem Raum gebündelt. Was ein spannendes Licht auf die Debatte wirft, die wir miteinander über Vereinbarkeit führen.

Frauen rocken das Haus

Was wie eine Kampfansage klingt, ist leider weit weg davon. Aktuell liest man sowohl in Familienblogs als auch in der Tagespresse davon, dass es eine Doppelbelastung vor allem für Frauen ist, zwischen den Kindern HomeOffice zu betreiben und auch noch zu erwarten, dabei wirklich produktiv zu sein. Es ist ein bisschen als würde man am Küchentisch zwischen den Krümeln der letzten und den Kartoffelschalen der nächsten Mahlzeit, zwischen Spielzeugen und Bastelsachen, zwischen Wäsche und Abwasch, den Laptop aufklappen und eine weitere Dimension zu diesem CHAOS fröhlichen Familienleben hinzufügen. Jetzt, wo es an einem Ort, nämlich dem Zuhause stattfindet, wird es noch deutlicher, wie viele Leben man da eigentlich gleichzeitig auszubalancieren versucht.

Trotzdem ist das Familienleben auch schön

Lernen wir jetzt aus der C-Krise? Und wenn ja, was?

  1. Wir sind noch längst nicht in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angekommen. Insbesondere deshalb nicht, weil wir das am meisten genießen, was wir doch täglich wegdelegierten: Die Zeit mit der Familie. Zusammen lachen, gemeinsam kochen und essen, lesen und Geschichten erfinden, Chaos verursachen und wieder in Ordnung bringen. Dabei in Wellen Dinge ins Haus holen und aus ihnen wieder herauswachsen.
  2. Bildungsangebote für die Kinder sind wichtig. Da leisten die meisten Einrichtungen großartige Arbeit. Aber können sie die Kinder bitte dann bilden, wenn es grad nichts Wesentliches in den kleinen Leben zu verpassen gibt? Erste Schritte, die lustigsten Sätze und Erkenntnisse und immer wieder die kleinen klebrigen Pfoten an uns – das ist es doch eigentlich, was in die Familien gehört. Hier streiten sich Vernunft und Herz aufs garstigste und wollen natürlich den besten Input für die kleinen neugierigen schlauen Köpfe und den sichersten und besten Hafen um nach den großen und kleinen Erfahrungen wieder zu landen und zu ankern.
  3. Genau so wichtig ist es, mit den Kindern Alltag zu üben. Dinge mit Zeit zu machen, Familienleben selbst bewusst gestalten, Mahlzeiten zu überlegen und vorzubereiten, die kleinen Erledigungen gemeinsam machen: Wäsche falten, Geschirrspüler, ausmisten, kleinere Reparaturen zusammen ausführen. Diese Dinge, die man als Familie eben auch mal zu tun hat und die man im Alltag immer vor sich herschiebt.
  4. Es ist gut, wenn man hin und wieder auch voneinander lüftet. Aber wie zauberschön ist es auch, gemeinsam Alltag zu verbringen. Vielleicht sollten wir im Vereinbarkeitswahnsinn auch nochmal ganz neu denken. Wie wäre es statt Kinderbetreuung über Haushaltsunterstützung nachzudenken? Im Kleinen, wie etwa im Beispiel mit dem Abendessen, das man ofenfertig aus der Kantine mitnehmen kann, und im Großen im Sinne von Unterstützung beim alltäglichen Haushaltschaos – und dafür holen wir die Kinder einfach schon viel viel früher aus den Einrichtungen wieder ab.
  5. Digitales Arbeiten ist viel viel möglicher als wir immer dachten. Tschüß, Präsenzkultur! Ich persönlich hab Dich bereits vor Jahren aus meinem Leben gestrichen und gerate immer wieder – und aktuell glücklicherweise immer seltener – in Situationen, wo es nicht ohne Dich geht. In den Berufen, in denen es möglich ist, lasst es uns ausreizen und für die Familien die besten Zeitfenster zum Arbeiten einfach realisieren. Denn Wege entstehen durchs Gehen und wenn Ihr eine Hummel trefft, sagt Ihr, sie fliege großartig*!
  6. Flexibilität beim Arbeiten ist ein Mehrwert und kein Nachteil. Es ist lobenswert, dass uns Institutionen davor schützen wollen, rund um die Uhr zu arbeiten. Seine Zeit frei einzuteilen ist jedoch auch ein großer Vorteil, der viel Disziplin einerseits erfordert, sich eben doch noch ranzusetzen, aber auch die Möglichkeit, in seinen verschiedenen Lebensteilen präsent zu sein, wenn es eben dafür die beste Zeit ist.

Was nehme ich aus diesen Punkten mit? Die Debatte ist längst nicht zu Ende. Die Familien, die im Home Office arbeiten, haben es gerade nicht leicht, sich so aufzustellen, dass alle zu ihren Rechten kommen. Dennoch ist das auch eine große Chance: In sich hineinzufühlen und ins Familienleben. Was tut wirklich gut? Was nehmen wir nach dem Lockdown wieder auf und wo ziehen wir vielleicht auch einen Schluss-Strich? Wo sind wir einfach Familie und wo haben wir Lust auf andere? Welche Art von Unterstützung tut uns gut? Und wie bekommen wir die?

Wie ist es für Euch? Tut es Euch gerade gut, unter Euch zu sein? Oder ist es Euch zu eng? Wenn es keine Zwänge gäbe, was wäre Euer Lieblingsmodell? Und wo schleichen sich Sorgen ein? Lasst es mich unbedingt wissen, ich bin neugierig auf Eure Gedanken!

*Das Hummel-Paradoxon: Die Hummel kann eigentlich nicht fliegen, weil Flügel und Gewicht im Zusammenspiel das nicht erlauben würden. Aber sie weiß das nicht und fliegt einfach trotzdem.