Deine Familie besteht aus Dir, Deinem Mann und 5 Kindern welchen Alters?

Sohn 10 Jahre

Sohn 8 Jahre

Sohn 7 Jahre

Tochter 2 Jahre und

Tochter 2 Monate

 

Kurz zur Einordnung: Wie ist Deine Biografie? Ausbildung, Jobstationen? 

 

Mit 26 habe ich als Ärztin angefangen zu arbeiten. Dann wurde ich mit 33 Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Oberärztin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich drei Kinder. Mit 35 habe ich mich habilitiert und wurde Chefin meiner Abteilung. Mit 39 habe ich eine andere Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe übernommen auch wiederum als Chefin.

 

Wie hast Du vor den Kindern gearbeitet? 

Ich habe immer Vollzeit gearbeitet, also vor und nach den Kindern.

 

Hattest Du Auszeiten? Wie lange? Bist Du in der Mutterrolle aufgegangen oder hast Du den Job vermisst? 

Ich war bei den ersten drei Kindern jeweils 11 Monate zuhause, beim Vierten 6 Monate und beim Fünften so ungefähr 8 Wochen. Ich fand die Auszeiten super; ich hatte viele Freundinnen die kleine Babys hatten und daher hatte ich ziemlich Sozialstress, da ich mich ständig mit ihnen getroffen habe und das war toll. Arbeiten ist allerdings auch toll und ein Jahr Auszeit ist ganz schön lang für die Ausbildung, die ich habe.

 

Hat es durch die Mutterrolle ein Umdenken in der Einstellung zum Job gegeben? Hat die sich auf die Arbeitssituation niedergeschlagen? 

Ja, seit ich Mutter bin arbeite ich deutlich effektiver und besser und bin deutlich zielorientierter. Und seitdem kann ich viele Dinge besser verstehen, mein Herz ist größer geworden.

 

In wenigen Stichpunkten: Wie arbeitest Du heute? Im erlernten Beruf? Warum evtl. nicht? 

Ja, ich arbeite als Ärztin und bin froh darüber. Ich hätte mir rückblickend eine andere Betreuung für meine Kinder gewünscht.

 

Wie viele Stunden pro Woche arbeitest Du? 

Mehr als 60 Stunden pro Woche.

 

Wie ist Dein Kind derzeit betreut? Inwiefern bringt sich der Vater/ Lebensgefährte ein? 

Die großen Kinder gehen in die Schule, die ältere Tochter ist im Kindergarten und die Kleine ist derzeit im Krankenhaus und wird bei der Arbeit betreut. Mein Partner betreut die Kinder ebenso.

 

Wie klar trennst Du zwischen Familie und Beruf? 

Da ich von ganzem Herzen Ärztin für Frauen bin sind die Grenzen fließend. Frauen sind die wesentlichen Bausteine der Gesellschaft, sie halten alles zusammen. Die Rolle der Frau ist eng mit ihrer Gesundheit verknüpft. Die Art und Weise wie eine Gesellschaft ihre Frauen behandelt sagt viel aus über sie. Je entwickelter eine Gesellschaft desto besser geht es den Frauen. Vom Status der Frau in einem Land kann man den Grad der Zivilisiertheit dieses Landes ablesen.

Als Frauenärztin erlebe ich die Frau im Kontext der Familie und der Gesellschaft.  Das ist sehr interessant da es mir einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen erlaubt. Daher sind die Grenzen zwischen meinem Beruf und meiner Familie fließend.

 

Hast Du das Gefühl, durch die Familie im Job zurückstecken zu müssen? Hast Du das Gefühl, dass man Dir z.B. als working mom weniger zutraut/ Dich anders behandelt als wenn Du kinderlos wärst? 

Es gab auf dem Weg immer wieder Vorgesetzte die seltsam auf meine Schwangerschaften reagiert haben, mir wurde zum Beispiel gesagt: „Na dann lohnt es sich ja nicht mehr in Sie zu investieren.“ Oder: „Wieviele Kinder wollen Sie denn noch?“

Mein Partner wurde allerdings auch nach Ankündigung einer Elternzeit von einer weiblichen Vorgesetzten mit einem Tetra Pak beworfen. Er ist Arzt. Also Männern geht es da nicht unbedingt besser.

 

Prinzipiell wird man schwanger anders behandelt, so als wäre man unmündig. Daher habe ich meine letzte Schwangerschaft so lange wie möglich verschwiegen.

 

Ich habe gewisse Karriereziele nicht erreicht weil ich zum Beispiel umziehen hätte müssen und das wollte ich der Familie wegen nicht. Aber das wäre schon auch gegangen, von daher war ich selber dafür verantwortlich dass ich diese Ziele nicht umgesetzt habe. Insgesamt wollte ich eine berufliche Situation in der ich mich trotzdem um meine Familie kümmern kann. Ein Job mit ausgiebigen Reisen oder hoher Arbeitsbelastung in den Nachmittagsstunden wäre für mich emotional schwierig.

 

Hast Du bewusst Bürozeit, also mögliche Zeit, in der kinderfrei arbeitende Menschen sich in ihren Arbeitsräumen treffen, freigehalten für die Familie, etwa um die Nachmittage mit den Kindern zusammen zu gestalten? Verlässt Du das Büro pünktlich, um sie aus der Betreuung abzuholen? 

Ich fange morgens um sechs an zu arbeiten. Alle meine Kinder schlafen da noch. Das finde ich gut, da ich dadurch keine Zeit mit ihnen verliere. Ich versuche allen Arbeitsload in die Zeit zu legen in der die Kinder schlafen oder in der Schule und Kita sind. Die Zeit, die sie frei haben versuche ich mit ihnen zu verbringen.

Ich verlasse das Büro so pünktlich wie möglich. Es klappt oft, aber gelegentlich auch nicht.

Kinder zur Betreuung zu bringen oder abholen schaffe ich oft nicht.

 

Wie siehst Du das Spannungsfeld, einerseits im Job viel geben zu wollen, andererseits Zeit mit den Kindern haben zu wollen? Sind Dein Berufsfeld und Dein Arbeitgeber offen für z.B. abendliches Nachholen dieser Zeiten im Home-Office?

Da ich die Chefin bin kann ich mir die Arbeit etwas besser einteilen, meine Arbeitszeit ist dennoch viel und minutiös durchgeplant und wenn etwas nicht klappt, weil andere verschwenderisch mit ihrer Zeit umgehen und damit meinen Zeitplan durcheinander bringen, wird meine Laune nicht so gut. Je besser man plant, desto besser kriegt man alles unter einen Hut.

 

Hast Du Hilfe mit den Aufgaben des Alltags? Haushalt, Putzen, Kochen…? Oder geht das auch von der Familienzeit ab? 

Ich habe Hilfe durch Aupair-Mädchen und meine Mutter.

 

Was wären Deine drei größten Wünsche an die Arbeitswelt für Mütter/ für Deine konkrete Situation? 

Ich finde die Kinder sollten in einer Art Betriebskindergarten untergebracht sein und man sollte sie dort besuchen können oder Pausen mit ihnen verbringen.

Raucher machen auch Pausen, also könnte es Mutterpausen geben.

Und neulich habe ich von einem Konzept gelesen, dass man in der Arbeitskantine das Abendessen für die Familie frisch zubereitet mitnehmen kann, das finde ich super da es gelegentlich in Stress ausartet abends für alle ein gesundes Essen auf den Tisch zu zaubern.

 

Schwanger sein und Kinder sollten viel mehr Teil des Konzepts sein, hier in Deutschland wird die Mutter so extrem auf ihre Rolle fixiert, man wird seltsam betrachtet, wenn man nicht ein Jahr zuhause bleibt sondern wie in Frankreich wieder arbeitet. Mütter sind für alles verantwortlich, sie müssen Übermütter sein. Ich wünsche mir mehr Unterstützung und dass wir nicht nur Mütter sein brauchen sondern auch andere Rollen sein dürfen, zum Beispiel Frauen, Liebhaberinnen, Karrieremenschen, Freundinnen usw.

 

Sind die gerade beschriebenen Wünsche nur für Mütter hilfreich? Oder sollte sich generell etwas ändern? Könnte man Deine beschriebenen Punkte für alle möglich machen?  

Ja auch Väter sollten mehr gefördert werden in ihrer Rolle. Oft werden sie noch belächelt wenn sie sich genauso um die Kinder kümmern. Väter könnten ebenso auf der Arbeit und in der Gesellschaft mehr unterstützt werden.

 

Wie siehst Du das Thema gleichberechtigte Elternschaft? Die Statistik für Deutschland gibt her, dass zumeist der Mann immer noch den größten Teil zum Familieneinkommen beiträgt. Das bedeutet auch, dass er weniger Rücksicht auf die Familie nimmt und den Job höher priorisiert: Überstunden, Dienstreisen und anderes gehen dann auch zu Lasten der Flexibilität der Frau. Wie stehst Du dazu? 

Das sehe ich in meiner täglichen Arbeit mit den Frauen. Es ist hart, das zu akzeptieren. Es besteht eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Wir Deutschen Frauen haben im Vergleich schon eine eher gleichberechtigte Stellung. In vielen anderen Ländern ist dies nicht so. Dennoch bleibt extrem viel an uns hängen und viel zu oft hält die Frau dem Mann den Rücken frei damit er sich um sich und seinen Beruf kümmern kann. Wir tun das zum Teil aus Liebe, zum Teil weil es von uns erwartet wird und zum Teil weil es sonst kein anderer täte. Es ist eine merkwürdige Situation aber seit Jahrtausenden so gesellschaftlich verankert und es braucht Zeit bis wir und unsere Wünsche gleichwertig sind.

Wir müssen raus aus der Ungleichheit, wir erziehen ja die Söhne und Töchter, an unserem Vorbild werden sie sich messen und orientieren. Es ist unsere Pflicht zu helfen damit die Ungleichheit aufhört und wir die Begrenzung der Gesellschaft aufbrechen.

 

Falls Du gerade laut „ändern“ gerufen hast: Welches Modell erscheint Dir ideal?

Das Matriarchat. Die Männer waren jetzt die gesamte Evolution überlegen, jetzt sind wir dran… Aber Spaß beiseite.. ich wünsche mir eine Welt, in der die Rolle der Mutter der des Vaters gleicht oder beide beitragen, eine Welt in der wir nicht unterlegen sind. Meinen Töchtern wünsche ich, dass sie sich nicht begrenzen und reduzieren lassen auf ein Rollenbild was unfrei macht. Meinen Söhnen wünsche ich dass sie stark sein können ohne andere dafür schwach zu machen.