Das erste Interview habe ich mit Anna Koschinski geführt. Anna ist gleichzeitig alleinerziehende Mutter, Studentin und Unternehmerin. Sie vereinbart also nicht nur Beruf und Familie sondern auch ihre Ausbildung. Was sie dabei an Hürden überwindet und an Wünschen und Anregungen formuliert, zeigt sie uns im Interview.

Name? Anna Koschinski

Name und Alter des Kindes/ der Kinder? Ben, 3 Jahre

In wenigen Stichpunkten: Wie ist Deine Biografie? Ausbildung, Jobstationen?

Schule, Abitur, Studium der Linguistik

Neben dem Studium zahlreiche Fort- und Weiterbildungen (u.a. Radioredakteurin und Trainerin für Hörfunkjournalismus und Medien, Stimm- und Sprechtrainerin, Ausbildung zur Moderatorin für Gruppen und Prozesse, Grundstufe NLP und Coaching für effektive Kommunikation, diverse Schreib- und Beratungsworkshops, Train the Trainer)

Gründung von koschinski – kommunikation.medien.redaktion. als selbstständige Texterin und Beraterin für Content Marketing (da war mein Sohn etwa ein halbes Jahr alt).

 

In wenigen Stichpunkten: Wie arbeitest Du heute? Im erlernten Beruf? Warum evtl. nicht?

Ich habe keinen Beruf erlernt, sondern ihn mir selbst geschaffen: Durch meinen Background war dies genau der richtige Weg, um auch als alleinerziehende Mutter mitten im Studium zu überleben.

Die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten war für mich der einzige Weg, um meine drei zentralen Lebensbereiche (Kind, Studium und Arbeit) unter einen Hut zu kriegen.

Meine früheren Jobs als Trainerin konnte ich nach der Geburt meines Sohnes nicht mehr ausüben, denn man hat hohe Präsenzzeiten, die ich nur mit viel Betreuung hätte abbilden können.

 

Wie viele Stunden pro Woche arbeitest Du? Wie ist Dein Kind derzeit betreut? Inwiefern bringt sich der Vater/ Lebensgefährte ein?

Ich habe derzeit einen 45-Stunden-Platz in einer Kindertagesstätte, bei dem ich allerdings nie den vollen Zeitrahmen ausschöpfe. In den meisten Wochen komme ich etwa auf eine rein-Arbeitszeit von ca. 25 Stunden.

Diese Zeit muss ich dann je nach Studienphase auf mein Studium und mein Business verteilen. Wenn ich Veranstaltungen besuchen muss, arbeite ich dementsprechend weniger an meinen Arbeitsprojekten.

Bei wichtigen Terminen außerhalb der Betreuungszeiten kann ich auf ein Netzwerk aus Familie und Freunden zurückgreifen, die mich unterstützen. So kann ich einigermaßen flexibel reagieren, aber in letzter Instanz bin ich natürlich diejenige, die Ben betreuen muss.

Der Erzeuger besucht meinen Sohn unregelmäßig etwa einmal die Woche für einen Zeitraum von 1 ½ Stunden. Da er die Termine oft kurzfristig absagt, kann ich in diesen Zeitraum keine wichtigen To do’s oder Termine legen.

 

Wie klar trennst Du zwischen Familie und Beruf?

Wenig. Ich versuche zwar, die Zeit mit meinem Sohn intensiv zu nutzen, aber ich muss auch mal zwischendurch Telefonate oder E-Mails abarbeiten. Das liegt vor allem daran, dass ich so unflexibel in meinen beruflichen Projekten bin und nicht immer Verständnis dafür besteht, dass ich z. B. nur vormittags (zu den Betreuungszeiten) erreichbar bin.

Ich nehme immer Studium und Job mit nach Hause und arbeite oft bis spät nachts an den Projekten oder Aufgaben für mein Studium. Das ist oftmals anstrengend, denn der Kopf ist nie frei davon und die Fokussierung auf das Familienleben fällt dadurch schwerer.

 

Hast Du das Gefühl, durch die Familie im Job zurückstecken zu müssen? Hast Du das Gefühl, dass man Dir z.B. als working mom weniger zutraut/ Dich anders behandelt als wenn Du kinderlos wärst?

Ich selbst habe oft das Gefühl, dass ich weniger schaffe als andere. Und dass ich schon viel weiter sein könnte, wenn ich nicht Mama geworden wäre. Allerdings: Ich habe mich nur selbstständig gemacht, WEIL ich Mutter wurde und weil dies für mich die einzige Möglichkeit war bzw. ist, Geld zu verdienen. Daher sind diese „was wäre wenn“-Überlegungen gar nicht sinnvoll.

Von anderen habe ich solche Vorbehalte nicht erlebt. Meine Kunden wissen über meine Situation Bescheid und ich stoße häufig auf großes Verständnis, wenn etwas mal nicht ganz so schnell klappt oder die Antwort auf die E-Mail erst mitten in der Nacht verschickt wird.

Auch von Seiten der Uni stoße ich vermehrt auf unterstützende und verständnisvolle Dozenten, die z. B. bei den Präsenzzeiten Zugeständnisse machen.

Respekt und Unterstützung erhalte ich vor allem aus meinem näheren Umfeld.

 

Hast Du bewusst Bürozeit freigehalten für die Familie, etwa um die Nachmittage mit den Kindern zusammen zu gestalten? Verlässt Du das Büro pünktlich, um sie aus der Betreuung abzuholen?

Wie siehst Du das Spannungsfeld, einerseits im Job viel geben zu wollen, andererseits Zeit mit den Kindern haben zu wollen? Sind Dein Berufsfeld und Dein Arbeitgeber offen für z.B. abendliches Nachholen dieser Zeiten im Home-Office?

Gerade als mein Sohn noch klein war, habe ich die Betreuungszeiten nie voll genutzt. Einerseits, weil ich eine so lange Fremdbetreuung bei kleinen Kindern schwierig finde und andererseits, weil ich gerne auch noch Zeit mit meinem Sohn verbringen wollte. Dadurch, dass ich mir meine Kunden und Projekte aussuchen kann, bin ich flexibler in meinem Job als Angestellte. Ich kann auch nachts arbeiten, wenn es notwendig ist.

Dennoch ist es manchmal schwierig, wenn unvorhergesehene Dinge (wie etwa Krankheit) passieren, mir Termine dazwischen kommen oder auf einmal viele Aufgaben für mein Studium anfallen. Dann habe ich immer das Gefühl, alles nur halb zu machen. Das ist sehr unbefriedigend und stresst mich sehr.

 

Hast Du Hilfe mit den Aufgaben des Alltags? Haushalt, Putzen, Kochen…? Oder geht das auch von der Familienzeit ab?

Das mache ich alles mit meinem Sohn gemeinsam. So geht es nicht von der Familienzeit ab, sondern ist ein ganz selbstverständlicher Teil davon. Wir kochen gemeinsam, er hilft mir beim Wäsche waschen und aufhängen und es gibt feste Zeiten, in denen wir aufräumen und z. B. Staub saugen.

 

Was wären Deine drei größten Wünsche an die Arbeitswelt für Mütter/ für Deine konkrete Situation?

Es sind eher Wünsche an die Arbeitswelt generell, denn ich denke, auch Männer können von flexiblen Arbeitszeitmodellen profitieren. Ich denke, jeder sollte so arbeiten können, wie er es am besten kann und möchte. Denn die Definitionen von Glück oder Erfolg hängen schon lange nicht mehr für alle Menschen mit einem dicken Bankkonto zusammen. Wer mehr Zeit für seine Familie haben möchte, der sollte eben weniger arbeiten dürfen. Allerdings ohne die damit einhergehende Belächelung oder einen Statusverlust. Ich denke, dass flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und ein gezielter Einsatz von Teilzeit-Kräften sowohl für die Angestellten als auch die Unternehmen vorteilhaft sein können. Ob man das nun durch Job-Sharing oder andere Strukturen erreicht, sollte jedes Unternehmen für sich entscheiden. Wichtiger als die Präsenzzeit ist doch das Ergebnis, daher spreche ich mich klar für ein verändertes Monitoring aus.

 

Wie siehst Du das Thema gleichberechtigte Elternschaft? Die Statistik für Deutschland gibt her, dass zumeist der Mann immer noch den größten Teil zum Familieneinkommen beiträgt.

Das bedeutet auch, dass er weniger Rücksicht auf die Familie nimmt und den Job höher priorisiert: Überstunden, Dienstreisen und anderes gehen dann auch zu Lasten der Flexibilität der Frau. Wie stehst Du dazu?

Ich denke, das muss jedes Paar für sich selbst entscheiden. Wir können die Menschen nicht dazu zwingen, die „Familienarbeit“ gleichberechtigt aufzuteilen – auch wenn ja mittlerweile über ein Modell diskutiert wird, das Väter dazu zwingt, Elternzeit zu nehmen. Das halte ich für Blödsinn, es sind private Entscheidungen, die auch privat bleiben sollen.

Ich wünsche mir aber für die Frauen, dass sie selbstbewusster und mutiger ihre Interessen vertreten. Denn schon durch unsere Erziehung lernen wir, zurückzustecken und uns anzupassen. Ich hoffe, dass Frauen lernen, für sich selbst einzustehen und nicht nur aus ökonomischen Gründen jahrelang zu Hause bleiben obwohl sie eigentlich arbeiten wollen.

Für die Männer wünsche ich mir ebenso, dass sie in Bezug auf die Familienzeit umdenken. Wer nicht viel Zeit mit seinen Kindern verbringt, der lernt sie nicht richtig kennen. Und die Ausrede, man(n) müsse eben viel arbeiten ist eben nicht mehr als eine Ausrede. Es ist eine Frage von Prioritäten.

Ich glaube nicht, dass wir durch Gesetze eine Änderung bewirken können. Die Veränderungen müssen von den Frauen selbst kommen. Und dann, nur dann, sehe ich eine Chance, dass die Männer sich im Gegenzug anpassen.  So könnten langfristig gesellschaftliche Veränderungen angestoßen werden, die sich hoffentlich auch auf die Kindererziehung auswirken. Damit wir in Zukunft immer mehr starke und selbstbewusste Frauen haben, die die Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt verändern.

 

Falls Du gerade laut „ändern“ gerufen hast: Welches Modell erscheint Dir ideal?

s.o.